Neu in der Familie: Fujifilm X-Pro 2!
Ich liebe meine Nikons, meine – gefühlt – 20 Objektive, meine Stative, die vielen Gehäuse, die Möglichkeiten die Nikon mit ihrer Qualität bietet, das Zubehör. Was für eine erfüllende Kameraausrüstung. Highendqualität, keine technischen Probleme, alles im Griff. Aber, ich hatte es satt eine meiner D4s mit mindestens 3 Objektiven zu schleppen. Im Beruf ok, privat nicht mehr. Zu oft hatte ich keine Kamera dabei, nur weil ich keine Lust hatte Kilos zu stemmen. Ganz klar, die Familie benötigt Zuwachs. Zu Weihnachten sollte man sich etwas gönnen. Lange Zeit war ich auf der Suche nach einer kleinen „everyday“ Kamera, die auch ordentliche Eckdaten hat und prima Ergebnisse liefert. Schnell landete ich bei Fujifilm. Klein, schwarz, wendig und Retro. Damit beginnt die Qual der Wahl: Systemkamera, Spiegellos, Kompaktkamera, vielleicht ohne die Möglichkeit ein Objektiv zu wechseln? Ok, man sollte es nicht gleich untertreiben.
Nachdem ich meine motorischen Störungen vergeblich an einer X100T ausgelassen hatte, blieben am Ende nur 2 Modelle: X-T2 und X-Pro 2. Etwas größer als die X100T, aber mit mehr Möglichkeiten, technisch weiter. Die Wahl fiel dann, warum auch immer, auf die X-Pro 2. Ich empfand sie als noch etwas handlicher und, Hand aufs Herz, das Auge isst doch mit. Auf dem Markt seit Anfang 2016, also technisch auf dem aktuellsten Stand, neuer X-Trans™* CMOS III Sensor und X Prozessor Pro für schnellere Verarbeitung der Fotos, trotz CMOS Sensor annähernd Vollformatqualität (sagt man), 24 Megapixel, Multi-Hybrid-Optischer-Sucher, Filmsimulationen, 2 Speicherkartenslots und vieles mehr (Technische Daten). Das Internet schenkt uns Informationen und schnell landet man für Pro und Kontra im Fuji Forum (Fuji X-Pro2 Forum). Um es kurz zu machen: das Forum meint, das Model sei eine Art Wunderwaffe. Profis, Berufsfotografen (muss erwähnt werden, Argumente haben dann wesentlich mehr Gewicht!), Amateure haben ihr Canons und Nikons der freien Marktwirtschaft zugeführt. Umstieg jetzt! Kritiker werden gerne als technische Kleingärtner niedergeschrien, Argumente bestenfalls ignoriert oder bewusst missachtet. Das kennt man ja aus Foren, egal welches Genre, Blogline ist Pflicht, oder verpiss‘ dich. Der Informationsgehalt war eher gering.
Geld und Stromfluss
Mein Weg führte mich letztlich zum Händler meines Vertrauens, ich schoss ein paar Testfotos und tatsächlich: WOW! Von zehn Fotos acht Fotos unscharf! Mir wurde schlagartig bewusst, das wird – das ist – meine Kamera. Genau die Challenge die ich suchte. Die bunten Prospekte, die lieben Foren Menschen, sie können unmöglich alle gelogen haben. Außerdem, bei diesem stattlichen Preis muss das Ding gut sein. Die Cashback Aktion lässt die letzten Zweifel, die man wegen des gewaltigen Preises verspürt, verfliegen. Noch ein Fuji 35 mm f1.4 Objektiv dazu (FUJINON XF 35mm F1.4) und schon sind alle Träume erfüllt. Denkst du auch nur. Eine schnelle Speicherkarte und ein zweiter Akku, da die Kamera Strom frisst, als würden weitere Atomkraftwerke kurz vor der Inbetriebnahme stehen um die Kamera mit Saft zu versorgen. Mit den zu befürchtenden steigenden Stromkosten steigt auch die Summe auf dem Display der Registrierkasse. Pffff, Cashback, was solls. Ich verlasse den Laden und fühle mich gut. Akku geladen, Gurt montiert (welcher Praxisfremde Ingenieur lässt sich eigentlich diese Verknotungen einfallen?) und raus in die Einkaufsstraße. Streetfotografie. Wenn das mal nicht Hip ist und völlig neu, noch nie gemacht! Was für ein wunderbares Gefühl. Befreit von Kilos baumelt die X-Pro 2 über meiner Schulter. Lässig schlendere ich in der Einkaufzeile umher und knipse einhändig dies und das. Niemand interessiert sich für diese Kamera, man kann völlig enthemmt die Linse den Leuten ins Gesicht drücken. Sie freuen sich gar. Das kenne ich so nicht: normalerweise sehen sie meine D4 und schon rennen sie aus dem Sucher oder, wenn es ganz schlimm kommt, beschimpfen sie mich gar (um dann 10 Meter weiter ein Selfie für ihren Facebook Account zu machen). Genauso hatte ich mir das vorgestellt. Welch traumhafte Hardware. Endlich frei, genau das war es was ich wollte. Um es kurz zu machen: das Ergebnis war ganz und garnicht das was ich wollte. Liegt wohl hauptsächlich an mir. Dieser beschrieben sensationelle Autfokus ist eher weniger sensationell und nicht mal sonderlich, schon gar nicht betonenswert, schnell. Also Handbuch raus, gelernt, Einstellungen angepasst und erneut die Akkus geladen. Das Ergebnis der 2. Tour war dann schon wesentlich besser.
Trotzdem kann diese Höllenmaschine einige Dinge gar nicht so toll wie allgemein angepriesen. Einige Dinge dagegen richtig klasse. Damit hier nicht der falsche Eindruck entsteht: diese Kamera ist richtig gut, aber man muss wissen das sie ein paar Dinge nicht so toll kann. Sie ist handlich, leicht, die Bildqualität ist sehr gut, aber eben dann doch nur ein aufgeblasener CMOS (was man irgendwie sieht) und schon gar nicht Vollformat.
Hybridsucher, Autofokus und Bedienungsfreundlichkeit
Sofern man Fotografie-affin ist und sich ein bischen mit Kamerahandhabung auskennt, bereitet einem die allgemeine Bedienung der Kamera keine Probleme. Der Hybridsucher ist eine Klasse für sich. Wirklich traumhaft und mit diversen Anpassungsmöglichkeiten. Man kann ihn nach den eigenen Bedürfnissen konfigurieren. Ein Massstab für die Zukunft. Die Kamera macht richtig Spass und ich fotografiere sehr gerne damit. Ärgerlich finde ich den Autofokus, der wirklich nur dann richtig funktioniert, wenn man sehr sorgsam damit umgeht. Teilt man beispielsweise den Fokussierpunkt an einer scharfen Kante, damit die Kamera das Objekt scharf stellt, passiert es sehr häufig, das die Schärfe in den Hintergrund abwandert. Das kann man bei größerer Entfernung und bei einem 35 mm Objektiv dann nur noch schlecht kontrollieren. Knips und leider liegt die Schärfe nicht auf dem Punkt, den man wollte, den man anvisiert hatte. So sind zum Beispiel Bäume, Sträucher, Buschwerk wahrlich nicht ihr Ding. Hier ist sorgsam zu Fokusieren, ansonsten flutscht die Schärfe weg.
Ein weiteres Ärgernis ist das Menü. Sicher, man kann sich daran gewöhnen, ich aber habe selten so ein sonderbar strukturiertes Kameramenü bedient. Um nur ein paar Punkte zu erwähnen: wichtige Funktionen liegen in unter, Unterreitern, Praxisfernes dafür an Position 1. Das recht wichtige „Formatieren“ der Speicherkarten unter „Einrichten“ – „Benutzer Einstellungen“ – „Formatieren“. So kann es beispielsweise auch schnell passieren, das man beim Menüaufruf den Kartenslot unabsichtlich wechselt und sich wundert das keine Bilder gespeichert sind, weil man nur ein Slot mit einer Karte bestückt war. Wer schaut schon permanent auf die Slotbelegung? Verändert man Einstellungen, kontrolliert dieses durch eine Aufnahme, um sie dann möglicherweise wieder rückgängig zu machen, muss man sich erneut durch das Menü hangeln, um an den Menüpunkt zu gelangen. Die Kamera merkt sich den letzten „Zugriffspunkt“ nicht. Ein Plus ist wiederrum, man kann Tasten und Einstellräder selbst belegen. So kann man das Menü umgehen. Ein sinnvoller Punkt ist auch die Funktion „My Menü“. Man kann sich hier eine Favoritenliste der 16 häufigst benutzen Menüpunkte anlegen. Leider ist auch diese Feature nur „halbgar“. Fuji gibt einige Menüpunkte vor die darin favorisiert werden können, leider nicht alle die man selbst als wichtig erachtet. Um ein Fremdobjektiv adaptieren zu können, muss man den Menüpunkt „Aufnahme ohne Objektiv“ wählen (diese Bezeichnung ist schon schräg), der – und jetzt kommt es – im Menüpunkt „Tasten und Rad Einstellung“ liegt. Da muss man erst einmal draufkommen (Danke Wolfgang!).
Bildqualität, sehr gut bis „Weia“
Liebe Fujileute: ihr habt eine fantastische Kamera gebaut, die Bildqualität der Kamera ist richtig gut. Wirklich. Mit kleinen Ausnahmen: Was soll dieses Gittermuster des Sensors bei Lensflare? Und der Hinweis durch eine leichte Korrektur des Bildwinkels verschwindet dieses Phänomen ist eine Eselsbrücke, aber keine Lösung.
Was sind das für süße kleine „Würmchen“ bei bestimmten Jepg- Einstellungen? Der Tipp RAW zu machen, dann kann man dieses Problem umgehen, hilft nicht wirklich. Ich wollte ja eben keine RAW, sonst hätte ich RAW gemacht. Die Kamera bietet gewisse Feature an, dann kann man auch verlangen das diese ordentlich funktionieren. Aber auch hier gilt: alles ist zu händeln und ein Kamerasystem ist kein Wunschkonzert. Man kann mit der X-Pro 2 so richtig leckere Fotos machen. Die Filmsimulationen ist ein nettes Spielzeug, bei geschickter Belegung der Funktionstasten (FN) und des Quickmenüs (Q) kann man praktisch auf jede Situation schnell reagieren und erreicht damit sehr gute Ergebnisse. Das Rauschverhalten bei höhere ISO ist gut, für 24 Megapixel sogar sehr gut. Und wenn mal etwas nicht so perfekt ist, was solls. Es lebt!
Fazit mit Fotografiephilosophie
Wie alles im Leben, so auch hier: die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Meine Beurteilung subjektiv, ohne messtechnische Belege (überlass ich anderen) und sie erwähnt nicht alle Punkte. Zusätzlich hat jeder Mensch eine andere Arbeitsweise. Objektiv betrachtet ist die Fuji X-Pro 2 eine fantastische Kamera, die mit kleinen Ausnahmen das macht, was man verlangt. Ein Plus ist das Konzept. Klein, handlich, unauffällig diskret und robust, erfüllt sie genau den Zweck den ich mir erhofft hatte. Fotografieren bereitet mir jetzt auch Privat wieder Freude, belebt meine Kreativität und schont zusätzlich meine Schultern. Außerdem sieht sie wunderschön aus (neudeutsch: Geil!). Der Hybridsucher ist „fett“. Sicher ist das die Zukunft im Kamerabau. Sehr gut gemacht Fuji. Aber liebe Käufer, lasst euch von Profis (immer erwähnen!) nicht erzählen es sei die „Eierlegende Wollmilchsau“ die eure DSLR Ausrüstung ersetzt. Sicher nicht. Sie ist eine fantastische Ergänzung und kann zusätzlich den Spaß für die schweren „Monster“ neu entfachen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Mit zwei, drei Brennweiten kann man einen weiten Bereich der Fotografie abdecken, bestimmte Bereiche aber eben nicht, oder nur ungenügend. Das muss man wissen.
Letztlich sollte jeder mit sich selbst ausmachen ob er den doch recht hohen Preis zahlen will. Schnell ist man bei über 2000 Euro für eine Grundausstattung. Dazu ist es auch notwendig, wie so oft im Leben, seine Ziele zu definieren und zu kennen. Vielleicht hilft diese Kamera die Fotografie wieder etwas lebendiger zu machen. Weg von dieser kühlen, sterilen, fehlerlosen Hightech Fotografie. Verzerrung, Randunschärfe, Vignettierung – ok, passiert! Beim Handy werden Hunderte von Apps benutzt, um diese Art der Bildgestaltung nachträglich einfließen zu lassen. Bei normalen Fotoapparaten darf keinesfalls auch nur ein einzelner Pixel krumm liegen. Die X-Pro 2 kann dabei helfen wieder etwas lebendigere Bilder zu gestalten, weil man mit dieser Kamera lässiger, leichter umgeht und somit anders fotografiert. Von mir eine eindeutige Kaufempfehlung!
(8 Fotos)